Ganserhaus

Ein gans! besonderes Haus

Das Ganserhaus befindet sich in der Schmidzeile 8, einer in Richtung Westen, also stadtauswärts ansteigenden Straße, die hinauf zur Burg führt. Die Schmidzeile ist benannt nach den früher hier ansässigen Schmieden; sie zählt zu den sehr früh belegbaren Straßennamen nach dem Wiederaufbau der Stadt in der Folge des Stadtbrands von 1339 (vgl. Matthias Haupt, Schmidzeile, publiziert am 09.07.2019 [=Tag der letzten Änderung(en) an dieser Seite]; in: Historisches Lexikon Wasserburg, URL: https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/Schmidzeile; 20.10.2024).

Das Ganserhaus ist bekannt für seine repräsentative Fassade, die zwei Erker und eine reiche Bemalung aufweist. Es trägt den Namen seiner Besitzer aus dem späten 19. Jahrhundert bis 1975 und hat einen historischen Kern, der bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht. Die Jahreszahl 1555, die in den Fassadenmalereien zu finden ist, verweist wahrscheinlich auf eine Renovierung oder einen Umbau, nicht auf das ursprüngliche Erbauungsdatum.

Das Gebäude diente bis 1970 über 250 Jahre lang als Zinngießerei, beginnend im frühen 18. Jahrhundert. 1861 wurde ein Fenster im Erdgeschoss durch den Schuhmachermeister und Früchtehändler Karl Graf vergrößert, was auf spätere Umbauten hinweist. Die Wohnungserhebung von 1906 dokumentiert im ersten Obergeschoss vier vermietete Zimmer und im zweiten Obergeschoss vier Zimmer des Eigentümers. Im Erdgeschoss waren der Laden und die Werkstatträume untergebracht.

Wichtige bauliche Veränderungen fanden in den Jahren 1943/44 statt, als in den Obergeschossen ein russischer Kamin anstelle eines deutschen Kamins eingebaut wurde. 1971 bis 1973 leitete der Arbeitskreis 68 Künstlergemeinschaft Wasserburg am Inn e. V. eine umfassende Restaurierung der Südfassade, bei der die Wandmalereien freigelegt und restauriert wurden. Die Innenrestaurierung bis Anfang 1977 behielt die ursprüngliche Raumaufteilung weitestgehend bei, wobei das tonnengewölbte Erdgeschoss und die Balken-Bohlen-Decken freigelegt wurden.

Architektonisch ist das viergeschossige Haus bemerkenswert. Die Südfassade weist drei Fensterachsen auf und die Erker sind in der mittleren und westlichen Achse angebracht. Den oberen Abschluss bildet ein profiliertes Gesims. Die großen Fenster im dritten Obergeschoss wurden vermutlich erst im 19. Jahrhundert eingebaut, so dass die im Stil der Renaissance gehaltenen Malereien um diese Fenster wohl erst im Zuge der Restaurierung in den 1970er Jahren entstanden sind.

Im Inneren zeigt das Haus ein gut erhaltenes Grundrissgefüge, das teils mittelalterlich und teils frühneuzeitlich ist. Der vordere Teil umfasst eine Diele mit einer nachträglichen Treppe zu einem tonnengewölbten Keller. Im Erdgeschoss war der Verkaufsraum der Zinngießerei untergebracht. Der hintere Teil enthielt Werkstatt- und Lagerräume. Die Obergeschosse bieten heute noch Anzeichen früherer Nutzungen.

Im Speicher sind Spuren eines oder mehrerer früherer Grabendächer sichtbar und das vorhandene Satteldach wurde erst in jüngerer Zeit aufgesetzt. Vor der Rückfassade sind in Holzbauweise zwei Kammern eingebaut, die bis in die Barockzeit zurückreichen, was die lange und abwechslungsreiche Geschichte des Hauses unterstreicht.

Die Eigentümergeschichte des Hauses ist ebenso interessant. Franz Seift, ein Zinngießer, erwarb das Haus 1813. Adam Seiff folgte 1861 und von 1898 bis 1918 war Franz Ganser, ebenfalls Zinngießer, der Eigentümer. 1943 übernahm Anna Ganser das Haus und 1970 folgte Annie Ganser. 1970 erwarb der Kunstverein AK68 das Gebäude, das er seit 1975, nach Renovierungsarbeiten, als Galerie nutzt.

Die Charakteristik des Gebäudes als ehemaliges Bürgerhaus stellt die ausstellenden KünstlerInnen vor die Herausforderung, ihre Kunstwerke in einen Dialog mit den unterschiedlichen Raumgegebenheiten zu bringen. Die Ausstellungskonzeption erfordert ein kreatives Spiel mit den architektonischen Gegebenheiten und fördert einen aktiven Austausch zwischen Kunst und Raum.